Die gezielte Abwerbung von Mitarbeitern eines konkurrierenden Unternehmens ist grundsätzlich erlaubt - allerdings nur, solange sie nicht primär darauf abzielt, den Mitbewerber zu schädigen. Das Landgericht (LG) Koblenz hatte sich in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren mit der wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit der wechselseitigen Abwerbung und Rückabwerbung von Mitarbeitern zwischen zwei konkurrierenden Unternehmen beschäftigt.
Im Streit standen zwei Unternehmen aus dem Bereich Brandschutztechnik. Die Antragstellerin hatte es geschafft, rund 25 Mitarbeiter der Konkurrenz abzuwerben und mit ihnen neue Arbeitsverträge abzuschließen. Kurz vor dem geplanten Arbeitsbeginn kündigten jedoch zahlreiche dieser Arbeitnehmer die neuen Verträge und traten ihre neuen Stellen nicht an. Die Antragstellerin vermutete dahinter eine gezielte Gegenmaßnahme der Konkurrentin, die mit aggressiven Methoden die zuvor abgeworbenen Mitarbeiter zurückzugewinnen versuchte.
Die Antragstellerin beantragte beim LG Koblenz eine einstweilige Verfügung mit folgenden Forderungen:
- Der Konkurrenz sollte es für sechs Monate - hilfsweise kürzer - untersagt werden, die abgeworbenen, aber nicht eingestellten Arbeitnehmer zu beschäftigen.
- Die Antragsgegnerin sollte keine Prämien für den Verbleib von Mitarbeitern im Unternehmen ausloben dürfen.
- Es sollte untersagt werden, den Mitarbeitern unentgeltlich anwaltliche Beratung zur Beendigung ihrer neuen Arbeitsverträge zur Verfügung zu stellen.
Gerichtsentscheidung:
Das LG Koblenz wies den Antrag zurück, da die Antragstellerin kein unlauteres, wettbewerbswidriges Verhalten der Gegenseite nach §§ 4, 4a UWG nachweisen konnte. Das Gericht stellte klar, dass die Abwerbung von Mitarbeitern zwischen konkurrierenden Unternehmen rechtlich zulässig ist. Dies folgt aus Art. 12 GG, der Arbeitnehmern die freie Wahl ihres Arbeitsplatzes garantiert - einschließlich des Rechts, eine bereits erfolgte Entscheidung für einen Arbeitgeber zu revidieren.
Wann ist Abwerbung unzulässig?
Trotz der grundsätzlichen Zulässigkeit kann Abwerbung wettbewerbswidrig sein, wenn sie mit verwerflichen Mitteln oder zu einem unlauteren Zweck erfolgt. Eine solche Unlauterkeit liegt insbesondere vor, wenn:
- die Abwerbung gezielt zur Schädigung eines Mitbewerbers oder zur Behinderung seiner wirtschaftlichen Tätigkeit erfolgt,
- Arbeitnehmer zum Vertragsbruch verleitet werden.
In diesem Fall könnte ein Unternehmen einen Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1, 4, 4a UWG geltend machen.
Das LG sah diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall jedoch nicht erfüllt. Die Antragsgegnerin habe nicht primär das Ziel verfolgt, die Antragstellerin wirtschaftlich zu behindern. Vielmehr habe sie ein berechtigtes Interesse daran gehabt, die zuvor bei ihr beschäftigten Mitarbeiter zu halten, um Störungen im eigenen Betrieb zu vermeiden.
Auch die Bereitstellung kostenloser Rechtsberatung für wechselbereite Mitarbeiter bewertete das LG als zulässig. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte bereits in einem Urteil (I ZR 140/02) klargestellt, dass eine rechtliche Unterstützung bei der Kündigung nicht als unlautere Einflussnahme gewertet werden kann - insbesondere dann nicht, wenn sie den Mitarbeitern hilft, eine rechtmäßige Entscheidung zu treffen.
Prämien für den Verbleib im Unternehmen erlaubt
Die Antragsgegnerin hatte ihren Mitarbeitern eine Prämie für den Verzicht auf einen Wechsel angeboten. Das LG wertete dies nicht als wettbewerbswidrig, da die Maßnahme auf wirtschaftlich legitimen Interessen beruhte und die Entscheidungsfreiheit der Arbeitnehmer nicht unzulässig beeinträchtigte.
Ein weiterer Punkt gegen die Antragstellerin war die fehlende Eilbedürftigkeit. Sie hatte nach der ersten Kündigung eines wechselwilligen Mitarbeiters drei Monate gewartet, bevor sie den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz stellte. Dies widersprach der für einen schnellen wettbewerbsrechtlichen Rechtsschutz erforderlichen Dringlichkeit gemäß § 12 Abs. 1 UWG.
Letztlich scheiterte der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz, da weder ein Verfügungsanspruch noch ein Verfügungsgrund gegeben waren.
Quelle: LG Koblenz, Beschluss v. 17.9.2024, 11 O 12/24